Spielfilm Wettbwerb 2012

Vielfalt und starke Debutfilme prägten den Wettbewerb des 9. Neißefilmfestivals - neun von 10 Filmen waren Kinodebuts. Erfreulich groß war die Bandbreite erzählerischer Möglichkeiten, vom streng formalen Experiment bis zum einfühlsamen klassischen Familiendrama thematisierten die Filme vor allem Generationenkonflikte und die Suche nach Halt und Gemeinsamkeit, nach Liebe und Erfüllung in einer unpersönlichen Gesellschaft. 

Besonders subtile Beiträge kamen aus Tschechien, große Emotionen aus Polen. Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ auch der Berlinale-preisgekrönte Film aus Albanien, der im Rahmen der diesjährigen Festivalpartnerschaft mit dem Kosovo gezeigt wurde. Die Deutschen Wettbewerbsbeiträge fielen dagegen insgesamt schwächer aus.

Der mit 2.000 Euro dotierte Hauptpreis geht an den Tschechisch-Slowenischen Film "Prilis Mala Noc - A night to Young" von Olmo Omerzu für seinen Mut, sich einer konventionellen, voraussehbaren Erzählweise zu entziehen und ohne jeglichen Sensationismus ein durchaus ambivalentes Thema zu behandeln. In einer Neujahrsnacht werden zwei Jungen am Rande der Pubertät zu Zeugen und Werkzeugen der verletzenden Beziehungsspiele der Erwachsenen. 

Ein vielschichtiges Kammerspiel, das ebenso durch seine darstellerischen Leistungen wie durch die Reduzierung auf das Wesentliche besticht.

 

Jury: Uta Guildhus (Filmproduzentin CZ), Kasia Roslaniec (Regisseurin PL) und Lars Meyer (Journalist und Filmkritiker D)

 

Besondere Schauspielerische Leistung

Judit Bárdos,für ihre Rolle in dem tschechisch - slowakischen Drama "Das Haus" (original title: "Dom") von Zuzana Liová

 

Kurzfilmwettbwerb 2012

 

Preisträger 2012  

"Felix", D 2011, Regie: Anselm Belser  

Begründung der Jury:

Ein kleiner Junge rempelt lustvoll mit dem Einkaufswagen eine Person an der Kasse eines Marktes immer und immer wieder an. Die attackierte Person greift sich schließlich eine Flasche, es könnte Milch gewesen sein, und schüttet sie über den Kopf des Kindes. Ein paar Sekunden später entscheidet sich das Kind dafür zu heulen. Seine Begleitperson und der Junge verlassen die Szenerie. Diese Geschichte wird innerhalb einer Minute in einer einzigen Kameraeinstellung erzählt. Das macht dem Kurzfilm alle Ehre, aber es wirft gleichzeitig ganz viele Fragen auf. Darf man das, einem Kind Milch über den Kopf schütten? Ist das pädagogisch? Ist es nachhaltig? Warum hat die Begleitperson nicht eingegriffen? Wer bezahlt jetzt die Milch?  

Der Zuschauer muss länger über die Geschichte nachdenken als der Film dauert. Dazu kommt die hervorragende Umsetzung durch das schauspielende Kind. Die Geschichte wirkt so authentisch als wäre sie mit versteckter Kamera gedreht worden (was durch den Schwarz-Weiß Look noch verstärkt wird). Wie ist das möglich? Wie hat man mit dem Kind am Drehort gearbeitet? Deshalb geht der Preis an Felix.  

 

Jury: Carmen Neumann (Programmkinobetreiberin), Steffen Golombiewski (Filmproduzent), Thomas Pilz (Kulturmanager) , Beatrix Czarniak (Studentin) und F.B. Habel (Journalist und Publizist)

 

 

Lobende Erwähnungen für die Kurzfilme:  

"Helga L520", CZ 2011, Regie: Miloa Zverina  

Begründung der Jury: Der künstlerisch animierte Dokumentarfilm erzählt die Geschichte von Helga Weiss während ihrer Internierung im Gettho Theresienstadt. Die Verbindung von Zeichnungen, die Helga während der Deportation schuf mit historischen wie auch aktuellem Bildmaterial, lassen den Zuschauer die Schrecken des Holocaust auf sehr persönliche Weise erfahren. Dadurch wird Emphatie möglich. Der Film belegt auf besondere Art, welche Rolle die Kunst im Überlebenskampf der Opfer des Nationalsozialismus spielte.

 

"Meyer", D 2011, Regie Sascha Quade  

Begründung der Jury: Der Kurzfilm "Meyer" erzählt die Geschichte, wie ein Sohn mit den Veränderungen des Vaters durch Demenz und ?lterwerden umgeht. Die Lobende Erwähnung wird insbesondere für den emphatischen Umgang mit einem Thema vergeben, was in der Realität noch vielfach ausgeblendet, die Zukunft aber stärker bestimmen wird. Die herausragende Umsetzung zeigt auf humorvolle Art und Weise, wie sich junge Leute der mit dem ?lterwerden der Eltern verbundenen Verantwortung stellen können, ohne dabei den Ernst und die Schwere der Situation auszublenden.

 

Dokumentarfilmpreis

 

Zum erstenmal  vergibt die Festivalleitung den Preis für den Besten Dokumentarfilm, an einen in seiner thematischen Wahl außergewöhnlichen und inspirativen Film. Der Preis wird gestiftet von RA Daniel Beckert.

Das Preisgeld in Höhe von 300,- € geht an den Film  "End and Beginning" von John Albert Jansen

Mit dem Porträt einer in Deutschland noch immer zu wenig gelesenen polnischen Dichterin konnten wir Zeugen einer geschichtlichen und zu gleich lyrischen Reise sein. In Ihrer Klarheit und kühnen Poesie nähert diese sich mit Demut dem Alltag des Menschlichen. John Albert Jansen verwebt  wunderschöne Bilder mit essentiellem der Dichtung und des Lebens von Wislala Szymborska, zu einem filmischen Dokument das unsere Herzen wärmte.

 

Lobend erwähnen möchten wir die Filme "Anna Pavlova in Berlin welcher mit seiner Kameraführung besticht und "Vaterlandsverräter" der in bester dokumentarischer Tradition Distanz und Nähe zu seinen Protagonisten hält.

 

Jury: Das Festivalteam

 

Spezialpreis

Der Preis wird verliehen an einem Film, der sich mit Respekt und Toleranz der jeweiligen anderen Kultur nähert und damit den Weg zum Dialog bereitet.

Der Preisträgerfilm illustriert an den Schwierigkeiten einer Minderheit die grundsätzlichen Probleme von Ausgrenzung und Isolation. Er macht Geschichte anhand von persönlichen Schicksalen erlebbar und durchbricht damit das Abstrakte.

Mit den persönlichen Ansichten der Protagonisten zeichnet er ein Bild des positiven Umgangs mit einem gesellschaftlichen Trauma. 

Er betreibt damit Aufklärungsarbeit zu einem wichtigen, gemeinsamen Thema zwischen den Nachbarländern Polen und Deutschland und treibt damit den Dialog der Völker auf seine Weise voran.

Der Spezialpreis in Höhe von 550,- € geht an den Film "Die geteilte Klasse" von Andrzej Klamt

 

Lobende Erwähnung der Jury des Spezialpreises des Filmverbandes Sachsen zum 9. Neisse-Filmfestival

Der Film "Neisse KlängGäng" ist angesichts des Zeitdruckes und der Umstände der Entstehung ein bemerkenswertes Zeugnis eines wichtigen und schönen Projektes. Die Jury möchte Sie alle ermutigen, sich dem Charme und der Wärme des Projektes und des Films "Neisse KlängGäng" auszusetzen. Dieses Projekt hat viel Aufmerksamkeit verdient.

 

Jury: Ola Staszel (Event-Managerin), Christian Zimmermann (Filmverband Sachsen) und Thomas Musilek (Theaterintendant Varnsdorf)

 

Publikumspreis

Der Publikumspreis in Höhe von 500,-€ erhält der Film "Vaterlandsverräter" von Annekatrin Hendel.