"Das melancholische Mädchen" - Drei-Länder-Filmpreis der Sächsischen Kunstministerin für den besten Spielfilm
"Ich bin unglücklich, damit Leute wie du glücklich sein können." Atemlos inspirierend taucht man mit diesem Satz in die Welt eines melancholischen Mädchens ein. Humorvoll zielt die Regisseurin dieses bezaubernden wie klugen Films auf die Paradoxe unserer modernen Welt. Sie zeigt uns in locker und leichtem Ton und unter Verwendung sämtlicher feministischer Theorien wie konservativ und unfrei wir sind in unseren Käfigen aus Konventionen. ‚Das melancholische Mädchen‘ ist ein politischer Film im Sinne der Kunst, die unser Verlangen nach dem Verlassen dieser Käfige spiegelt.
Lobende Erwähnung: "Frau Stern"
„Man kann verzeihen, aber nicht vergessen.“ Mit der Lobenden Erwähnung des Films „Frau Stern“ wollen wir das zentrale Anliegen dieser unvergleichlichen Frau in die Welt tragen. Im Verlangen nach dem eigenen Tod erspürt sie mit Hilfe ihrer lebenshungrigen Enkelin die vielen Möglichkeiten und Attraktionen des Daseins. Lakonisch zeigt der Film eine Frau, die man nicht mehr vergessen kann und die auf den Hinweis, um der Gesundheit willen das Rauchen einzustellen, mit dem ihr eigenen Humor antwortet, sie habe den Holocaust überlebt, da werde sie doch wohl auch das Rauchen überleben.
Jacek Braciak - Beste darstellerische Leistung
Für die darstellerische Leistung voller Authentizität in jeder Szene – eines um die Zukunft der Tochter besorgten Vaters, eines Widersprüche nicht ertragenden und anspruchsvollen Trainers, eines schüchternen, zart fühlenden Liebhabers und eines im Leben verlorenen reifen Mannes. Die rührende darstellerische Leistung von Jacek Braciak geht weit über den Tennisplatz hinaus – sie zeigt die Evolution einer autoritären Macht hin zur der Akzeptanz von Freiheit und Individualität.
"Fuga" - Bestes Szenenbild
Für die Erschaffung des Mikrokosmos, der außergewöhnlich treffend den verlorenen inneren Zustand der Protagonistin wiedergibt und gleichzeitig den einzigartigen und kompromisslosen Charakter dieser Figur näher definiert. Das Szenenbild in FUGA verstärkt die düstere und manchmal auch fantastische Atmosphäre im Film von Agnieszka Smoczyńska. Ihre Szenenbildnerin Jagna Dobesz spielt mit dem konventionellen Blick auf die filmischen Dekorationen und schränkt auf diese Art und Weise auf keinen Fall ihre eigene schöpferische Vorstellung ein.
"Fuga" - Bestes Drehbuch
Das Drehbuch von FUGA ist eine intime und gleichzeitig eine raubgierige Reise entlang der Mäander weiblichen Psyche. Diese unkonventionelle Geschichte beschreibt nicht nur die Flucht der Protagonistin zu steifen gesellschaftlichen Schemata, sondern ist auch allein an sich eine Flucht vor gängigen, herkömmlichen, Drehbuch bezogenen Lösungen. Die Vorlage von Gabriela Muskała überrascht durch seine Reife und Frische. Fertige Antworten sind in ihm fehl am Platz. Er bietet dafür Raum für das Verständnis eigener Bedürfnisse und die Suche nach eigenem Weg.
"Miłość bezwarunkowa" - Bester Dokumentarfilm
"Sieh was in mir verborgen ist!" Gleich am Anfang, nachdem uns der Autor Rafael Lysak in seinem Film „Unconditional Love“ den langen ärztlichen Befund über den inneren Zustand von Teresa, seiner Großmutter, vorgelesen hat, stellt sie ihm die Frage, ob Rafael sich das vorstellen könne? Was für eine unlösbare Aufgabe, die hier an Rafael und gleichsam an das Publikum gestellt wird. Und schon im nächsten Bild wird auch Rafael in die Pflicht genommen und Teresa schildert der Ärztin im Hospital die Eckdaten seines Lebens, gleichsam als Symptome. Der Film beginnt also mit der Aufzählung dessen, was vermeintlich alles nicht stimmt mit unseren Protagonisten und der Ahnung, dass uns Ärzte nicht weiterhelfen werden.
Im Umgang miteinander ein Unding, so vorgestellt zu werden, für diesen Film entpuppt es sich als eine von vielen sensiblen Gesten. In einer sehr klugen Dramaturgie nähern sich die beiden dialogisch ihrem Inneren, ihrer Einsamkeit im Alter und seiner drohenden Kinderlosigkeit, wenn er sich nicht bald einer Frau zuwenden werde. Gemeint ist damit immer wieder seine Sexualität, um die sich die Gedanken von Teresa drehen, aber eben nicht der Film. Türen knallen, Tränen werden vergossen, böse Worte gesprochen, Konflikt überall. Der Film vermisst dieses Ringen zwischen den beiden und erläutert uns den Titel des Films: Unconditional Love.
Würde man erneut Homosexualität als einen Diskussionsgegenstand betrachten, würde ein unüberbrückbarer Graben entstehen, wie der dem sich die Politik und Öffentlichkeit in Polen gegenübersieht. Betrachtet man es aber mit der Offenheit und der Neugier einer Teresa und der Achtsamkeit eines Rafael Lysak, kann dieser Film exemplarisch für einen Ausweg aus dem festgefahrenen Diskurs stehen und uns zeigen, wie der Zustand der Toleranz jeden einzelnen Moment manchmal mühsam, manchmal mit Humor ins Gleichgewicht gebracht werden muss.
Wir als Jury haben viel gelernt.
"Siostry" - Bester Kurzfilm
Wir würden gerne einen Film ehren, der aus vielerlei Hinsicht für uns herausragend war: er hat uns zum Lachen gebracht, er hat uns mit seiner sanften und ehrlichen Annäherung an eine Welt, die für die meisten von uns verborgen ist, beeindruckt, und er bewegte uns mit seiner tiefen Liebe für die Menschen, die er porträtiert. “Siostry” ist ein tief menschliches Portrait des Lebens, der Liebe, Einsamkeit und Gemeinschaft. Durch eine delikate und heitere Sicht auf das alltägliche Leben in einem Kloster, zeigt der Film uns das Leben eines Schwesternordens, welches sich von unserem Leben gar nicht so sehr unterscheidet: die tägliche Arbeit, die Liebe zu anderen Lebewesen, die Schwierigkeit eine Birne zu schälen, die Irritation andern gegenüber, Gedanken darüber, dass das Leben zu schnell vorbeigeht. Wir sind beeindruckt von der Ruhe und der Fähigkeit der Filmemacher, Dinge so zu beobachten, dass wir uns den Frauen nah fühlen ohne sie aber gleichzeitig zu entblößen. Sie tun dies auf eine amüsante Weise ohne sich aber lustig zu machen und erzählen so eine Geschichte über die Essenz des Lebens.
"Honza má pech" - Spezialpreis
Es waren einmal zwei Brüder, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Der eine mürrisch und introvertiert, der andere laut und manipulierend. Nun ereignete es sich in einem Sommer der 1960er Jahre, dass deren beider Großmutter verstarb. Daraufhin packte der mürrische Hans auf Zureden des Bruders seinen Koffer und begab sich aus der kapitalistischen Bundesrepublik Deutschland hinter den eisernen Vorhang in die kommunistische Tschechoslowakei, um seine sudetendeutsche Großmutter zu beerdigen. Mit vielen Vorurteilen im Gepäck begibt sich Hans in diesem überzeichneten Roadmovie nun auf eine turbulente Reise. Auf amüsante Weise skizziert Rena Dumont anhand dieser wahren Begebenheit ihres eigenen Großvaters die prägenden Nachkriegsjahre und die damit gemeinsame Geschichte der beiden Länder und Menschen. Am Ende der Geschichte steht der Dialog trotz Sprachbarrieren und Vorurteilen. Hans findet in der mährischen Provinz nicht nur eine Frau fürs Herz, sondern auch endlich ein Leben voller Glück.